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Stillstand, Rückschritt, fehlende Perspektive

07. Mai 2025

Warum pax christi den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung kritisch sieht

pax christi als Teil der Friedensbewegung in Deutschland blickt kritisch auf die Vereinbarungen, die die Koalitionäre ausgehandelt haben. Wir wollen nicht schweigen und unsere Kritik beispielhaft in drei Politikfeldern zum Ausdruck bringen:

Friedenspolitik
Während in den friedenspolitischen Leitlinien der Bundesregierung von 2017 noch der Vorrang der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung definiert wurde, ist davon im neuen Koalitionsvertrag nicht mehr die Rede. Auch nicht mehr von der Finanzzusage der Entwicklungshilfequote von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es ist stark zu befürchten, dass die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe weiter gekürzt werden. Aber gerade jetzt sind diese Mittel, die im Vergleich zu den Militärausgaben nur einen Bruchteil ausmachen, umso wichtiger, da sie eine Investition in Richtung einer sichereren Zukunft darstellen, wonach sich der Koalitionsvertrag angeblich richtet.

Auch zum Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigt der Koalitionsvertrag außer Waffenlieferungen und Durchhalterhetorik keine Perspektive. Die Lieferung von Taurus scheint keiner Diskussion mehr würdig, sie wird schnell versprochen und zugesagt. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hat in einem neuen Report mitgeteilt, dass die Importe der Ukraine von Großwaffen zwischen 2020 und 2024 um das Hundertfache gestiegen sind. Statt auf Verhandlungen zu setzen und alles zu tun, den Krieg auf diplomatischem Wege zu lösen, setzt Deutschland weiter auf die Lieferung von Waffen. Dort, wo bislang zumindest gedankliche Grenzen der Lieferung gezogen wurden (Taurus), werden diese nun niedergerissen. 

Die künftige Regierung will die Militarisierung von Bildung und Forschung vorantreiben, indem der „Bildungsauftrag“ von Jugendoffizieren an Schulen gestärkt und Hemmnisse bei zivil-militärischen Forschungskooperationen abgebaut werden sollen.

Rüstungsexport und Rüstungsproduktion
Die Aussagen zur Rüstungsexportpolitik nehmen im Koalitionsvertrag nur wenig Raum ein. Seit vielen Jahren fordert pax christi mit anderen Teilen der Friedensbewegung ein justitiables Rüstungsexportkontrollgesetz. Dieses Gesetz kommt im neuen Koalitionsvertrag gar nicht mehr vor, obschon die letzte Bundesregierung es schon ausformuliert „in der Schublade“ liegen hatte. Wir fordern von einer neuen Bundesregierung, dass sich die Rüstungsexportpolitik nicht an wirtschaftlichen Interessen ausrichten darf, sondern an internationalen und supranationalen Abkommen (ATT und gemeinsamer Standpunkt der EU), welche die Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts zu zentralen Kriterien machen. Es darf keine Harmonisierung der EU-Rüstungsexportregelungen ohne strenge und klare Kriterien im o.g. Sinne geben.

Unklar bleibt weiterhin die Frage, ob mit folgender Passage zum Außenwirtschaftsgesetz auch Rüstungsgüter und deren Ausfuhrgenehmigungsverfahren gemeint sind: „Wir werden die Ausfuhrgenehmigungsprozesse vereinfachen und beschleunigen. Unser Ziel ist ein Paradigmenwechsel. Anstelle von durchgängigen Prüfungen streben wir stichprobenartige Kontrollen an.“ Sollte dieses Verfahren Rüstungsexporte ebenso betreffen, wäre das ein Bruch mit dem Prinzip der Einzelfallprüfung.

Eine Regelung der Rüstungsproduktion bleibt vollkommen unerwähnt und wird somit gänzlich in die Hände der Rüstungsindustrie gelegt, die aus rein wirtschaftlichen Interessen agiert. Wir fordern, dass es nicht in den Händen der Privatwirtschaft liegen darf, dass durch Weiterentwicklung von Waffensystemen und Produktion von Rüstungsgütern Kriege geschürt, verlängert und Menschen getötet werden. Ferner lehnen wir ab, dass Waffensysteme in Verbindung mit künstlicher Intelligenz und Kampfdrohnen beschafft werden sollen, die nichts mehr mit dem Töten aus Notwehr zu tun haben.

Die Bekenntnisse zur Finanzierung der humanitären Hilfen und der Krisenprävention bleiben im Koalitionsvertrag ebenso allgemein und wenig konkret (s.o.). Die horrenden Rüstungsausgaben, die nun im Koalitionsvertrag bestätigt werden, sind ein Verrat an den Lebensmöglichkeiten der Ärmsten in der Welt und an der Überlebenschance unsere Planeten, da diese Gelder an vielen anderen Stellen fehlen. 

Nahost-Politik
Der Bezug auf das Völkerrecht und die UN-Charta sowie auf das Menschenrecht fehlt im Koalitionsvertrag beim Thema Israel und Palästina gänzlich. Die Sicherheit Israels wird so lange nicht gewährleistet sein, wie es keine Sicherheit und Freiheit für die Palästinenser:innen gibt. Die Formulierung im Koalitionsvertrag, in der auf eine zu verhandelnde Zweistaatenlösung hingewiesen wird, ignoriert, dass seit dem Amtsantritt der rechtsgerichteten israelischen Regierung Vertreibung, Landnahme, Zerstörung der sozialen und ökonomischen Lebensgrundlagen nicht nur in Gaza, sondern auch in Ostjerusalem und in der Westbank eine Dimension erreicht hat, die die palästinensische Bevölkerung der Willkür von Armee und radikalen Siedlern aussetzt. 

Deutsche Nahost-Politik sollte sich dafür einsetzen, dass der Besatzung ein Ende gesetzt und Palästina als Staat anerkannt wird, gleichzeitig aber natürlich die Sicherheit Israels garantiert wird.

Wir haben unseren Blick nur auf diese drei Themenbereiche gerichtet, weil diese aus unserer Sicht friedenspolitisch von enormer Relevanz sind. Es wurde im Vorfeld der neuen Regierung bereits ein Freibrief für Militarisierung über Milliarden erteilt.

Es ist zu erwarten, dass  an vielen anderen Stellen gekürzt wird, vor allem im sozialen Bereich und die Schere zwischen Armen und Reichen noch größer wird. Dabei ist es gerade jetzt wichtig, in Daseinsvorsorge (Bildung, Wohnen, etc.) und die Voraussetzungen für ein würdiges Leben für alle mit demokratischer Teilhabe zu investieren, um den sozialen Frieden zu sichern. Es wird sich zeigen, inwieweit die nun in die Verantwortung gehende Regierung die genannten Bereiche im Blick haben wird.